Sünde vom Feinsten

eingestellt von Daniela Toppel am 17. Dezember 2019 | Kategorie: Allgemein

Sünde vom Feinsten

Werkzeugkästen mit Sägen, Zangen und Schraubenziehern zieren die Verkaufsregale. Daneben Schlüssel, Gitarren und Hufeisen. Alles aus Schokolade, versteht sich. Spargel gibt es ebenfalls im Angebot – aus Nougat. Es sind 20 Grad Celsius. „Beste Raumtemperatur für Schokolade“, sagt Sylke Wienold.

Die Chocolatiere steht in ihrer gläsernen Manufaktur inmitten von handgefertigten Pralinen und Tafeln. Eine Glaswand teilt den Laden in Produktion und Verkaufsraum, gewährt Einblick in die handwerkliche Arbeit. Unter einer Schokoladengießmaschine füllen sich Pralinenformen mit warmer Zartbitterschokolade. Wienold streicht die überflüssige Schokolade mit einer Palette von der Form.

Im vergangenen November zog die 51-Jährige mit ihrer Chocolaterie aus Hammelspring bei Templin nach Himmelpfort bei Fürstenberg. „Ich bin seit zehn Jahren in der Uckermark“, sagt sie. „Himmelpfort zählt noch zur Uckermark, auch wenn der Landkreis Oberhavel ist.“ Sie habe ihren Laden zehn Jahre in Hammelspring gehabt.

„Der war nur ein bisschen größer.“ Wienold wollte es kleiner. Zwei der sechs Mitarbeiter nahm sie mit. Ein Lager hat sie nicht. „Mein Lager ist der Laden. Wenn etwas zur Neige geht, dann wird es frisch nachproduziert.“

Ihre Chocolaterie liegt auf einem Grundstück, auf dem zuvor die Ruine eines ehemaligen Konsums stand. „Sie war vielen ein Dorn im Auge“, sagt Wienold. So auch den Investoren, die Wienold angeboten haben, hier eine zweite Chocolaterie zu eröffnen. Wienold überlegte nicht lang und entschied sich gleich für einen Umzug. Schokolade gehöre schließlich nach Himmelpfort. „Wegen der Weihnachtsgeschichte“, sagt sie.

 

Beim Weihnachtsmann

Die Geschichte, auf die sich Wienold bezieht, nahm ihren Anfang vor 35 Jahren, als zwei Kinder einen Brief an den Weihnachtsmann schrieben. Den Brief schickten sie nach Himmelpfort. Wohin auch sonst? Sie mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt“ zurückzuschicken, kam für eine Postmitarbeiterin damals nicht infrage – und so beantwortete sie die Briefe kurzerhand selbst.

In der Chocolaterie stellt die Chefin die Schokolade selbst her.

Die beiden Kinder glaubten, den Weihnachtsmann ausfindig gemacht zu haben. Das sprach sich rum. Und so nahm die Geschichte ihren Lauf. Im darauffolgenden Jahr bekam der Weihnachtsmann 75 Briefe zugeschickt. Rund zehn Jahre später engagierte die Deutsche Post erstmals Helferinnen, um den Weihnachtsmann in Himmelpfort beim Beantworten der mittlerweile Tausenden Briefe zu unterstützen. 30 Jahre später trafen mehr als 300.000 Briefe aus mehr als 60 Ländern ein. Und es sind nicht nur Briefe: In der Weihnachtszeit tummeln sich im Dorf so viele Besucher, dass man mit dem Auto nicht mehr hineinkommt.

„Weihnachten, Ostern, klar, da kaufen die Leute Schokolade“, sagt Wienold. „Wir haben rund 700 verschiedene Produkte, darunter allein 35 Weihnachtsmänner.“

Es gibt sie in verschiedenen Größen – von drei Zentimeter bis zu einem Meter. Und zu Ostern können die Kunden zwischen 25 Osterhasen wählen. Ihr Laden laufe aber auch abseits des Weihnachtsgeschäftes gut. Einige Kunden beliefere sie auch regelmäßig. Das sei aber nichts Großes, keine großen Chocolaterien oder Fachgeschäfte. „Zwei Optiker kaufen beispielsweise regelmäßig 50 Schokoladenbrillen.“ Eine originelle Idee, findet Wienold. „Andere verteilen Kugelschreiber an ihre Kunden.“

Über konjunkturelle Trends macht sie sich keine Gedanken. Wienold setzt in dem 500-Seelen-Dorf auf Laufkundschaft. „Das ist das Gute an Himmelpfort“, sagt sie. Die Landschaft mit ihren Wäldern und Seen macht Himmelpfort zu einem beliebten Ausflugsziel. Das bringt der Chocolaterie regelmäßig Kundschaft. Deswegen hat die Manufaktur samstags und sonntags geöffnet, aber montags und dienstags geschlossen.

 

Informatikerin mit Schokopassion

„Angefangen hat alles nach der Wende“, erinnert sich Wienold. Damals kamen zwei Belgier in ihr Heimatdorf in der Lausitz und produzierten dort Schokolade. „Ich war die erste, die eingestellt wurde.“ Dort habe sie das Handwerk gelernt. Jahre später zog sie fort, machte eine Ausbildung als Fachinformatikern für Anwendungsentwicklung. Doch die Leidenschaft für Schokolade ließ sie nicht los. „Meine Mutter, die inzwischen in der Uckermark lebte, sagte eines Tages: ‚Mensch, komm in die Uckermark und mach das, was du am besten kannst, mach Schokolade!‘“Und so landete Sylke Wienold in der Uckermark.

 

Preise auf der Grünen Woche

Vor zwei Jahren startete die Chocolaterie eine Zusammenarbeit mit Ucker-Ei. Der Legebetrieb stellte in Kooperation mit einer Brennerei Eierlikör her. „Da haben wir den Eierlikör in Schokoeier gefüllt“, sagt Wienold, „und ,Beschwipste Eier‘ genannt – ein Produkt im Dreierbündnis.“ Dafür gab es in diesem Jahr auf der Grünen Woche den zweiten Preis. Für Pralinen mit einer Apfel-Mohn-Füllung erreichte sie 2010 den ersten Platz für Produktinnovation und Vermarktung.

Wienold weiß, worauf es ankommt. „Pflanzenfette lehnen wir Chocolatiers ab“, sagt sie. Deswegen verwendet sie Kakaobutter. Die Pflanzenfette in billigen Schokoladen schmelzen bei 40 Grad Celsius. Die Kakaobutter schmelze hingegen bei Körpertemperatur, also bei 36 bis 37 Grad. „Und das merken Sie, wenn Sie die Schokolade in den Mund nehmen.“

Ausruhen will sich Sylke Wienold auf ihrem Erfolg nicht. „Die Geschmäcker ändern sich. Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass Schokolade mit Chili oder Ingwer so gefragt sein würde?“ Oder Pralinen mit Karamell und Meersalz. Wienold macht nicht jeden Trend mit. „Ich muss mir vorstellen können, dass es schmeckt“, sagt sie. Daher habe sie bisher alle Anfragen nach Schokolade mit Knoblauch abgelehnt. „Es gibt zum Glück genug andere Ideen, die ich noch umsetzen möchte.“

Dieser Artikel erschien auch im MBS-Kundenmagazin sans souci, Ausgabe Herbst 2019.

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