Coronavirus – Kursrückgänge werden aufgeholt
Interview mit Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, dem Wertpapierhaus der Sparkassen:
„Die Kursrückgänge werden aufgeholt, aber nicht in wenigen Wochen“
Herr Dr. Kater, wie schätzen Sie die Einbrüche der Aktienmärkte in den letzten Wochen ein?
Aus einem weltweiten Aufschwung wurde nur innerhalb von wenigen Tagen eine Blitzrezession. Kein Ereignis in der modernen Wirtschaftsgeschichte hat zu Friedenszeiten den Konjunkturausblick für die gesamte Weltwirtschaft in so kurzer Zeit komplett gedreht. Es kam zur Kursverlusten von 30 Prozent und mehr.
Wurde die Gefahr des Virus für die Wirtschaft komplett unterschätzt?
Bis auf eine kurze Irritation Ende Januar nahm die Börse keine Notiz von der neuen Krankheit. Das Coronavirus schien in China noch weit weg zu sein. Mittlerweile haben über 170 Länder Corona-Fälle gemeldet. Damit war auch die Unbesorgtheit an den Börsen dahin. Während bis dahin nur die Einschränkungen bei den weltweiten Produktionsketten eingerechnet waren, kam jetzt die Aussicht auf wirtschaftliche Beschränkungen bis hin zur Schließung kompletter Sektoren auch auf die Europäische Union und auf die USA zu.
Soll ich meine Aktien jetzt verkaufen?
Panik und Hektik sind keine guten Anlageberater. Aufgrund der Verunsicherung sollten Anleger jetzt nicht hektisch ihre Wertpapiere verkaufen. Das gilt umso mehr, wenn sie einen langfristigen Anlagehorizont haben. Für Privatanleger ist es sinnvoll, auch größere Kursrückgänge auszusitzen. Erst mit dem Verkauf werden die Verluste realisiert. Kursrücksetzer gehören zur Börsenwelt wie die Anzeigetafel im Börsenraum – aber eben auch die nachfolgende Erholung. Die historische Erfahrung sprich eindeutig dafür, dass Kursrücksetzer über die Zeit wieder ausgeglichen werden. Und der sprichwörtlich teuerste Satz an der Börse lautet, dass es diesmal anders sein wird. Außerdem ist es mit dem richtigen Verkaufszeitpunkt eine recht verzwickte Sache. Meist realisiert man viel zu spät, dass die Märkte wieder nach oben gedreht haben und man verpasst nach dem Verkauf den richtigen Zeitpunkt zum Wiedereinstieg.
Sollen Anleger jetzt die niedrigen Kurse nutzen und Aktien kaufen?
Deutliche Kursrückgänge sind unter langfristigen Gesichtspunkten eine gute Gelegenheit für den Einstieg. Den vermeintlich „richtigen“ Zeitpunkt zu erkennen, ist so etwas wie der heilige Gral an den Aktienmärkten: es findet ihn niemand. Anleger sollten daher geplant vorgehen und Stück für Stück in kleinen Portionen Wertpapiere kaufen. So kann von noch günstigeren Einstiegspreis profitiert werden. Gleichzeitig verringert sich das Risiko, da der Kaufzeitraum gestreckt wird.
Wie funktioniert das genau?
Mit dem regelmäßigen Kauf von Aktien mithilfe von Aktiensparplänen kaufen Sparer langfristig zu guten Durchschnittspreisen. Sie profitieren vom Durchschnittskosteneffekt. Wer regelmäßig und langfristig einen festen Betrag spart, muss keine Entscheidungen über den richtigen Kaufzeitpunkt treffen. Denn: Bei tieferen Kursen werden mehr Fondsanteile für eine gleichbleibende Sparrate erworben als bei höheren Preisen.
Wie sieht es beim Gold aus?
In der jetzigen Krise zeigt sich, dass Gold als so genannte Krisenwährung nicht das hält, was es in der Vergangenheit vermuten ließ. Das Gold hat ebenso wie fast alle anderen Anlageklassen an Wert verloren, und unterliegt derzeit großen Schwankungen. Gold sollte meines Erachtens in einer breit aufgestellten Geldanlage eher eine untergeordnete Rolle spielen.
Muss ich um meine Altersvorsorge fürchten?
Im Moment der Krise sehen die Dinge oft betrüblich aus. Aber die Aktienanlage mit dem Motiv der Altersvorsorge ist eine sehr langfristige Anlage. Rückschläge wurden an den Aktienmärkten stets mehr als ausgeglichen wurden. Das wird auch in Zukunft so sein. Denn langfristig sind auch in der Vergangenheit die Aktienmärkte unter Schwankungen und Rückschlägen gestiegen. Und auch nach der Corona-Krise wird die Weltwirtschaft wieder auf ihren Wachstumspfad zurückfinden. Die Märkte werden die Kursrückgänge aufholen, auch wenn dies nicht gleich innerhalb von wenigen Wochen geschieht.
Sollte die Anlagestrategie nun geändert werden, beispielsweise völlig auf Aktien zu verzichten?
Nein, denn nach wie vor gelten die Vorteile einer breit gestreuten Wertpapieranlage: Wer jetzt in einzelne Titel investiert ist, muss jeweils abschätzen, ob das Unternehmen die Krise überhaupt übersteht. Wer völlig auf Wertpapier verzichtet, wird auch nicht von den langfristigen Wachstumsperspektiven partizipieren. Aktienfonds bieten ein solch breit gestreute Wertpapieranlage. Hier ist es die Aufgabe des Fondsmanagers abzuwägen und die Anlageentscheidungen zu treffen.
Sollte ich jetzt doch die niedrigen Zinsen aussitzen und abwarten bis diese wieder steigen?
Die Zinsen bleiben verschwunden. Das wird die aktuelle Krise verlängern, denn die Notenbanken haben gerade das Zinsniveau noch weiter nach unten gesenkt und damit noch fester verankert. Ein Hoffen auf die Rückkehr von Zinsen auf den Sparbüchern ist damit unrealistisch. Die Zentralbanken stellen viel Geld bereit, von denen ein Teil wieder am Aktienmarkt landet. Für den langfristigen Sparer ist das Sparbuch keine Alternative. Bislang für sinnvoll befundene Aktienanteile und Sparpläne sind und bleiben attraktiv.
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