Katerkolumne und Interview: Finanzmärkte: erster Schock verarbeitet / Wird die Corona-Krise schwerer als die Lehman-Krise?
Kolumne Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, das Wertpapierhaus der Sparkassen:
Von den coronageplagten Finanzmärkten kamen in dieser Woche Entspannungssignale. Die Aktienmärkte legten kräftig zu, sowohl in Asien als auch in den USA, der DAX kletterte zeitweilig wieder über die 10.000-Punkte-Marke. Das entspricht einem Plus von zehn Prozent gegenüber der Vorwoche. An den Anleihemärkten trat Entspannung ein, nachdem die Käufe der EZB bei Staats- und Unternehmensadressen eingesetzt hatten. Sogar Neuemissionen konnten reibungslos platziert werden. Das alles deutet daraufhin, dass die erste Schockwelle von den Finanzmärkten ohne nachhaltige Krisensymptome verkraftet wurde. Jedoch sind die Folgen der Krise noch längst nicht alle verarbeitet. Unterdes spiegeln die ersten Wirtschaftsdaten aus den USA, wie etwa die Arbeitsmarktzahlen, den dortigen tiefen Wirtschaftseinbruch wider.
Märkte und Wirtschaft müssen sich in Geduld üben
Mit hohen Schwankungen an den Finanzmärkten wird es wohl noch eine ganze Weile weitergehen. Nicht vor Ostern ist mit einer Lockerung der Einschränkungen für Wirtschaft und Gesellschaft zu rechnen. Auch danach werden weitreichende Beschränkungen aufrecht erhalten bleiben. Die Aktienmärke haben einen Boden gefunden, sollte es bei den gegenwärtig absehbaren Wirtschaftseinbußen bleiben. Ein nachhaltiger Anstieg ist jedoch erst mittelfristig zu erwarten, wenn sich die Wirtschaftsdaten wieder verbessern. Zunächst ist jedoch das Gegenteil der Fall: Bei dem in der nächsten Woche erscheinenden Arbeitsmarktbericht aus den USA wird voraussichtlich ein Verlust von circa einer Million Jobs verkündet.
3 Fragen an Dr. Kater
Wird die Corona-Krise schwerer als die Lehman-Krise?
Über den Spagat zwischen medialer Übertreibung und echter Gefahr
Ökonomen sind in Sorge. Viele Experten erwarten eine tiefe Rezession. Ist das mediale Übertreibung oder ein reales Szenario? Was unterscheidet die Corona-Krise von der Lehman-Krise? Wie geht Geldanlage in Zeiten von Corona? Antworten von Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank.
- Herr Kater, das Ifo-Institut rechnet mit bis zu 20,6 Prozent weniger Wirtschaftsleistung in Deutschland. Manche prognostizieren sogar eine Weltwirtschafts-depression wie seit 100 Jahren nicht mehr. Ist das mediale Übertreibung oder echtes Szenario?
In so einer Lage überschlagen sich natürlich die Nachrichten. Man kommt nicht mehr dazu genau hinzuschauen. Die Ökonomen präsentieren ihre Ergebnisse häufig anhand sogenannter Szenario-Rechnungen: Was passiert, wenn bestimme Annahmen gelten? Und dass man auf beliebige Kosten kommt, wenn man die angenommene Produktionspause nur lang genug ausdehnt, dürfte jedem einleuchten.
In den Medien wird dann das schlimmste Szenario in die Schlagzeile gepackt. Schon sieht es so aus, als müsste es so kommen – dabei sind das häufig eher Randszenarien. Davon abgesehen: Einbrüche von fünf bis sieben Prozent, wie wir sie erwarten, sind schon schlimm genug.
- Langsam werden erste harte Wirtschaftsdaten aus der Krisenzeit veröffentlicht. Sie lassen auf einen mit der Lehman-Krise 2008/2009 vergleichbaren Einbruch der Konjunktur schließen. Was unterscheidet die Corona-Krise von der Lehman-Krise?
Jede Krise hat ihre sehr eigene DNA. Diesmal sind es nicht die Banken oder das Wirtschaftssystem, die die Krise erzeugten. Sondern es ist eine Naturkatastrophe. Die ist zwar im ersten Moment schlimmer als andere Schocks, aber auch schneller wieder vorbei. Die schwierige Aufgabe ist der Schutz der Unternehmen und Banken, damit sich keine Folgekrisen entwickeln.
- Menschen kaufen Edelmetalle und Gold – aus Angst vor einem Kollaps. Andere nutzen die tiefen Kurse an der Börse und kaufen Aktien, da diese günstiger sind als je zuvor. Herr Kater, wie geht Geldanlage in Zeiten von Corona?
In dieser Zeit ist nicht alles anders als in den vergangenen Jahrzehnten. Auch früher hatten wir Krisen von ähnlicher Größenordnung, wenn auch mit anderen Ursachen. Ich denke, auch diesmal sollten wir der Krise mit dem normalen Instrumentarium des Anlegers begegnen. Panik und Hektik sind keine guten Anlageberater. Insbesondere, weil Aktienanleger einen langfristigen Anlagehorizont von vielen Jahren haben.
Erst mit dem Verkauf werden Verluste tatsächlich Realität – in dem Sinn, dass sie nicht mehr aufgeholt werden können. Selbst Kursstürze gehören leider zur Börsenwelt wie die Anzeigetafel im Börsensaal – aber eben auch die zumeist nachfolgende Erholung.
Die historische Erfahrung spricht eindeutig dafür, dass Kursrücksetzer über die Zeit wieder ausgeglichen werden. Außerdem ist es mit dem richtigen Verkaufszeitpunkt eine recht verzwickte Sache. Meist erkennt man viel zu spät, dass die Märkte wieder nach oben gedreht haben und man verpasst den richtigen Zeitpunkt zum Einstieg.
Also: Bestände halten und dort über Zukäufe nachdenken, wo Liquidität vorhanden ist und es in die Vermögensstruktur hineinpasst. Deutliche Kursrückgänge sind unter langfristigen Gesichtspunkten eine gute Gelegenheit für den Einstieg. Den vermeintlich richtigen Zeitpunkt zu erkennen, ist so etwas wie der heilige Gral an den Aktienmärkten: Es findet ihn niemand. Anleger sollten daher geplant vorgehen und Stück für Stück in kleinen Portionen Wertpapiere kaufen.
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