Digitaler Nachlass – Internetkonten sind vererbbar
Was geschieht mit einem Facebook-Account, wenn der Inhaber verstirbt? In einem richtungweisenden Urteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, welche Rechte die Erben am digitalen Nachlass haben.
Der Fall ging bis zum Bundesgerichtshof: Eltern wollten Zugriff auf den Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter. Obwohl die Eltern die gesetzlichen Erben ihrer Tochter sind und sogar über die Zugangsdaten zu deren Profil verfügen, verweigert ihnen Facebook den Zugriff mit der Begründung, der Schutz der Persönlichkeitsrechte von Kommunikationspartnern der Tochter habe Vorrang vor den Interessen der Eltern. Darüber kam es zu einem Rechtsstreit, der letztinstanzlich vom BGH entschieden wurde (BGH, Urteil vom 12. 7. 2018, Az. III ZR 183/17).
Erbrecht gilt auch für Digitales
Mit dem Urteil des höchsten deutschen Zivilgerichts steht nun fest, dass ein Benutzerkonto in einem sozialen Netzwerk genauso vererbt wird wie alles andere, was der Erblasser zu Lebzeiten sein Eigen nannte. Die Erben rücken in dem Augenblick, in dem der Erblasser verstirbt, mit allen Rechten und Pflichten in den Vertrag ein, den der Verstorbene mit dem Netzwerkbetreiber geschlossen hatte. Es gilt hier also nichts anderes als zum Beispiel bei einem Wohnungsmietvertrag oder einem Leasingvertrag über ein Auto. Die Erben haben damit Anspruch auf ungehinderten und vollständigen Zugang zum Account und zu allen seinen Inhalten.
Eine klare Absage erteilte das Gericht der Auffassung, dass der Schutz der Kommunikationspartner Vorrang vor dem Erbrecht habe. Die Karlsruher Richter sahen keinen Grund, digitale Inhalte erbrechtlich anders zu behandeln als körperliche Dokumente, etwa Briefe und Tagebücher, die ganz selbstverständlich Eigentum der Erben werden. Der Absender einer elektronisch übermittelten Nachricht kann zwar darauf vertrauen, dass seine Nachricht nur an ein bestimmtes Benutzerkonto übermittelt wird, aber nicht darauf, dass nur der Inhaber dieses Kontos die Nachricht liest und nicht auch andere Personen – etwa die Erben.
Der Bundesgerichtshof hat damit eine lange Phase erheblicher Rechtsunsicherheit mit einer klaren Entscheidung beendet. Fachleute gehen davon aus, dass diese Grundsätze sinngemäß für den gesamten digitalen Nachlass, also auch für E-Mail-Konten, Webforen, Online-Auktionen, Online-Spiele, cloudbasierte Dienste, Blogs und Homepages gelten.
Digitalen Nachlass richtig regeln
Worauf Du bei Deinem digitalen Erbe und als Angehöriger achten solltest.
Erbe sein ist schwer. Zu allen emotionalen Aspekten kommt jede Menge Bürokratie hinzu – von der Sterbeurkunde bis zum Erbschein. Noch mühsamer ist es oft, wenn es um den digitalen Nachlass geht. Ob Zugang zum E-Mail-Account oder Facebook-Profil – diese Daten müssen oft erst ermittelt werden.
Zudem ist zu entscheiden, wie damit umgegangen werden soll. Soll das Facebook-Profil als Erinnerung erhalten bleiben oder gelöscht werden? Was passiert mit den Daten von Dritten, die dort enthalten sind? Neben rechtlichen erwachsen hier auch moralische Fragen – und finanzielle.
Denn so manches Online-Portal ist kostenpflichtig. Zwar haben die Erben beim Tod des Nutzers in der Regel ein Sonderkündigungsrecht, doch solange sie nichts von dem Vertragsverhältnis wissen, läuft es weiter. Zulasten der Erben. Entscheidende Hinweise auf laufende Verträge, offene Rechnungen und Online-Mitgliedschaften liefern oft die E-Mails des Verstorbenen. Doch auch dazu muss man erst einmal Zugang erhalten.
Wie Du selbst Vorsorge treffen kannst
Wenn Du Deinen Erben Mühe ersparen und zudem selbst bestimmen möchtest, was mit Deiner digitalen Hinterlassenschaft geschieht, solltest Du Vorbeugemaßnahmen treffen. Ein Überblick:
- Vollstrecker: Die Verbraucherzentrale rät, eine Person des Vertrauens zum digitalen Nachlassverwalter zu machen. Du kannst ihr eine Vollmacht für Deinen digitalen Nachlass erteilen. Informiere Deine Angehörigen darüber.
- Dokumentation: Vorlagen für Vollmachten gibt es kostenlos im Internet. Wichtig: Die Vollmacht müssen vollständig handschriftlich verfasst, mit einem Datum versehen und unterschrieben werden. Zudem sollte sich aus dem Wortlaut klar ergeben, dass sie über den Tod hinaus gültig sein soll.
- Kennwörter: Ebenfalls im Internet finden sich Vorlagen für tabellarische Übersichten, in denen Du vermerken kannst, welche Accounts Du besitzt, wie die Zugangsdaten lauten und was mit den Accounts und ihren Inhalten geschehen soll. Halte das Dokument ständig aktuell.
- Aufbewahrung: Diese Übersicht solltest Du sicher hinterlegen – etwa auf einem kennwortgeschützten USB-Stick in einem Schließfach. Der digitale Nachlassverwalter sollte über den Ort und das Passwort Bescheid wissen.
- Vorsorgen: Nutze Optionen wie den Kontoinaktivitäts-Manager von Google, um selbst Deinen Nachlass zu regeln. Kontaktiere die Betreiber von Shopping- und anderen Internetportalen, bei denen Du registriert bist, und hinterlege Deine Wünsche, wie mit Deine Daten verfahren werden soll.
- Hardware: Lege fest, was mit Computern, Smartphones und Tablets sowie den dort gespeicherten Daten geschehen soll.
Einige Rechtsschutzversicherungen decken die Notarkosten für eine Testamentsberatung inklusive digitalen Nachlasses ab. Prüfe, ob dies im Leistungsumfang Deiner Rechtsschutzversicherung enthalten ist.
Zudem nimmt die Zahl der Firmen zu, die die kommerzielle Verwaltung des digitalen Nachlasses übernehmen. Allerdings lässt sich nicht immer beurteilen, wie sicher die Daten dort verwaltet werden. Erkundige Dich auf jeden Fall nach dem Leistungsumfang und den Kosten. Vertraue einem solchen Anbieter auf keinen Fall Kennwörter oder Computer und andere Hardwaregeräte an.
Worauf Erben achten sollten
Einzelne Social-Media-Portale gehen sehr unterschiedlich mit Zugriffswünschen von Erben um:
- Google: Verwandte können mit einem gewissen bürokratischen Aufwand Zugriff auf die mit dem Google-Account eines Verstorbenen verbundenen Anwendungen erhalten. Wer möchte, dass nach seinem Tod seine Daten gelöscht werden, kann dies mit dem Kontoinaktivitäts-Manager selbst festlegen.
- Facebook: Wer sich als Angehöriger ausweist, kann das Facebook-Profil des Verstorbenen löschen oder in den sogenannten Gedenkzustand versetzen lassen. Dann ist es nur noch für Freunde und Familie einsehbar. Direkten Zugang zum Account gewährt Facebook den Hinterbliebenen nicht.
- Twitter: Auch beim Kurznachrichtendienst muss man seine Identität als Familienmitglied nachweisen. Anschließend kann man die Löschung des Accounts veranlassen.
- Xing: Beim Karrierenetzwerk läuft es andersherum. Hier kann man den Tod eines Nutzers melden. Anschließend versucht Xing drei Monate lang, den Betroffenen zu erreichen. Gelingt dies nicht, wird der Account gelöscht.
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